Ein Nicht Statement von Konny Kleinkunztpunk
CN Hypothesen über sexualisierte Gewalt
Hallo Leute,
das hier ist kein Statement. Ich schreibe jetzt mal zur Transparenz auf, was mir so in den letzten Jahren sporadisch und in letzter Zeit immer häufiger begegnet und mich inzwischen massiv beschäftigt. In der linken Szene kursieren seit einigen Jahren Gerüchte um meine Person, die beinhalten, dass ich Täter sei. Ich beschreibe in folgendem Text was mir bisher (Stand Ende August 2022) begegnet ist, wie ich damit umgehe/vorhabe umzugehen, wie ich zu den dadurch entstehenden Fragestellungen stehe und warum ich mich bisher dazu nicht öffentlich geäußert habe, es aber nun doch richtig finde.
Ich gebe erst mal einen kurzen stichpunktartigen Überblick und beschreibe dann noch mal genauer, was mir so begegnet ist und wie ich dazu denke.
Kurzfassung
- Es gibt aktuell verschiedene Gerüchte über mich, nach denen ich als Täter aus (immer unterschiedlichen) Orten rausgeflogen sein soll.
- Ich spreche im Moment von Gerüchten, weil keine Vorwürfe oder Forderungen an mich gerichtet wurden, und bisher für mich keine betroffene Person auszumachen ist, sondern bisher immer nur verschiedene Leute von anderen Leuten etwas über Vorwürfe gehört haben und das weitererzählen. Oft gibt es Anteile in diesen Erzählungen, die eindeutig nicht passiert sind, und mich überraschen, wie konkret sie ausformuliert sind und wie leicht sie nachzuprüfen wären.
- Dass ich mich als Cis-Typ unangemessen oder verletzend verhalten habe, will und kann ich generell nicht ausschließen.
- Ich will für die Kritik, die evtl. noch an mich gerichtet werden wird, Verantwortung übernehmen und reflektieren.
- Ich unterstütze das Konzept von Definitionsmacht und bin überzeugt davon, dass Betroffenen geglaubt werden muss.
- Ich wünsche mir, solange keine Vorwürfe gegen mich erhoben wurden, nicht wie ein Täter behandelt zu werden.
Langfassung
Wie ging das los?
Begonnen hat alles mit einem Gerücht, von dem habe ich Mitte 2020 das erste Mal von einem Freund gehört. Er teilte mir mit, es würde gerade „viral“ herumgehen, dass ich „aus dem Hambacher Forst geflogen“ sei, weil ich mich dort sexuell übergriffig verhalten haben soll und Täter sei. Mit „viral“ war gemeint, dass die Person das von unterschiedlichen Leuten ungefragt gehört hatte, die auch aus unterschiedlichen Kreisen stammen, die nichts miteinander zu tun haben.
Direkt erst mal dazu
Ich war tatsächlich einen Nachmittag/Abend im Hambacher Forst und drumherum -
und zwar am 17.09.2018 und habe dort als „Konny Kleinkunztpunk“ gespielt. Das ist der einzige Termin, an dem ich mich dort aufgehalten habe. Ob sich das Gerücht damals auf diesen Auftritt bezogen hat, weiß ich nicht.
Ein Rausschmiss aus dem Wald hat nicht stattgefunden.
Dass ich mich als Cis-Typ unangemessen oder verletzend verhalten habe, will und kann ich einfach generell nicht ausschließen - gerade mit Blick darauf, dass Cis-Typ/Bühne und Publikum immer auch ein hierarchisches Verhältnis darstellt.
Aktiv und bewusst sexuell belästigend bin ich nicht unterwegs gewesen und ich hatte keinerlei intime Kontakte zu Leuten an diesem Tag.
Ich habe versucht, über die Band Mülheim Asozial, mit der ich das dort veranstaltet hatte, und den Organisator:innen vor Ort rauszufinden, ob es im und um den Hambi irgendwas über diese Sache herauszufinden gibt. Ohne Ergebnis. Aus dem Hambi selbst und von den am Abend Beteiligten konnte sich keine an eine bemerkenswerte Situation in diese Richtung erinnern oder hatte von so etwas gehört.
Mein Freund, der das an mich herangetragen hat, konnte dann auch nichts mehr herausfinden.
Wie gings weiter?
Im Juli 2021, also etwa ein Jahr später, hörte ich dann das zweite Mal davon. Diesmal von einer Bekannten, mit der ich mich traf und die dann in Folge des Gesprächs anfing, lose Richtung Hambi zu recherchieren, die Sache dann aber auf sich beruhen ließ. Auch hier wurde (so weit ich weiß) nicht noch einmal bei der Person nachgefragt, die ihr das erzählt hatte.
Noch ein knappes Jahr später, etwa im April 2022, bin ich dann von zwei mir unbekannten Leuten am selben Tag auf Instagram angeschrieben worden, vermutlich mit der Intention, mich erst mal mit Vorwürfen zu konfrontieren und meine Reaktion zu sehen. Die eine Person betrachtet mich nun als Täter, schrieb mir von dem Gerücht im Hambi, erweitert darum, dass ich nach einem Auftritt als Konny Kleinkunztpunk mit einer Vergewaltigung geprahlt haben soll.
Es gibt zu den Vorwürfen (so weit ich bisher weiß) irgendwie keine Perspektive einer betroffenen Person und wenn ich im Umfeld des Hambi nachfrage, gibt es darauf keine Hinweise.
Neue Version
Ab Juni 2022 nimmt dann die Sache ordentlich Fahrt auf:
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Im Juni 22 haben wir an einem Bremer Veranstaltungsort mit der Band Grips und Schaden ein Konzert gespielt. Das Konzert stand im Vorfeld in Frage, weil beim Veranstaltungsort neue Gerüchte angekommen sind, nach denen ich meinen alten Wohnort (die Mühle Gömnigk) verlassen hätte, weil ich dort einen Täter-, sowie einen Täterschutzvorwurf habe.
Das hat die Mühle inzwischen dementiert - u.a. auf ihrer Webseite:
http://alte-muehle.org/2022/06/06/gegendarstellung-zu-geruechten-ueber-konny/
In der Location gibt es ebenfalls Kontakte zum Hambi und auch von dort wurde noch einmal nachgefragt und es wurde entschieden, das Konzert mit mir und Grips und Schaden stattfinden zu lassen.
Weitere Chronologie
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Auf der KLP in Meuchefitz werde ich mehrmals auf die Gerüchte angesprochen - freundlich und nachfragend. Später am Abend allerdings werde ich von einer Person erkannt und beleidigt. Eine Freundin fragt später nach, die Person berichtet von Vergewaltigungsvorwürfen, Machtmissbrauchsvorwürfen und Übergriffigkeitsvorwürfen gegen mich, die aus der Waldbesetzungscommunity kämen. Ein Gesprächsangebot wird gesendet und die Person will in der Community, in der die Vorwürfe kursieren, nachfragen. Gleichzeitig macht sie aber auch deutlich, dass sie die Nachfragen als Täterschutz und Victim Blaming ansieht.
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Mitte Juni 22 bekundete eine Person Interesse, an einem von mir initiierten Theaterprojekt mitzuwirken, entschied sich dann aber gegen eine Teilnahme, da ich mich nach einem Konzert übergriffig verhalten haben und rausgeschmissen worden sein soll - in einem Projekt, in dem die Person mal aktiv war.
Ein Gesprächsangebot des Theaterprojektes ist an die Person gesendet worden.
Später: Die Person schreibt, dass sie selbst nicht dabei war, aber im Kontakt steht, mit den Leuten, die dabei gewesen sein sollen, und will dort nachfragen.
Etwa einen Monat später: Die Person schreibt, dass sie aus persönlichen Gründen bisher nicht dazu gekommen ist, zu antworten, das aber bald nachholen möchte.
Etwa weitere eineinhalb Monate später: Ich schreibe diesen Text, es gibt noch immer keine Rückmeldung.
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Auch Mitte Juni 22: Zwei Freundinnen von mir (aus dem Theaterprojekt) erklären sich zuständig, mir bei der Kommunikation, Beobachtung und Einschätzung der ganzen Gerüchte-Lage zu helfen und mir regelmäßig Feedback zu geben. Eine der beiden möchte sich in ihren politischen Flinta*-Kreisen umhören und die Frage nach einem Umgang mit solchen Situationen auf generellerer Ebene stellen.
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Auch Mitte Juni 22 beendet Seawatch eine Zusammenarbeit mit mir als Theaterpädagoge, weil ich transparent mache, dass es diese Gerüchte gibt und ihnen die Zeit für eine Überprüfung der Gerüchte gefehlt hat (bis zur Premiere des Stückes).
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Anfang August 22: 15 Minuten vor einem Auftritt der Band Grips und Schaden, bei der ich spiele, auf dem Sommercamp der IL, wird der IL mitgeteilt, dass eine Person davon gehört hat, dass ich Täter sei und mich damit nicht auseinandergesetzt hätte. Die Person berichtet von Menschen, die auf Partys in Berlin fordern, dass meine Musik nicht mehr gespielt wird, da ich Täter sei. Die IL bekommt von mir einen Vorläufer dieses Textes und entscheidet sich aufgrund fehlender Zeit zur Überprüfung dafür, das Konzert nicht stattfinden zu lassen.
Es ist der Moment, in dem ich beschließe, einen Text für die Öffentlichkeit zu verfassen.
Emotionalität und Umgang
Ganz ehrlich bin ich häufig an Punkten, wo ich nicht mehr weiß, wie ein guter Umgang mit der Sache aussehen kann. Das Ganze schlägt immer höhere Wellen und ich bin inzwischen fast täglich damit. Das schlägt auf die Psyche und verlangt einiges an Zeit und Energie ab. Ich habe beschlossen, Empathie Vorrang vor Wut zu geben. Ich habe ein Umfeld, dass mich in der Auseinandersetzung unterstützt und habe mir folgenden Fahrplan überlegt:
Ich bleibe gesprächsbereit und offen, für den Fall, dass eine Betroffenenperspektive auftaucht, und bin bereit, mich dieser dann zu stellen und mich damit auseinanderzusetzen.
Ich protokolliere, was mir begegnet und begegne meinen Gesprächspartner:innen mit Transparenz.
Ich versuche Menschen, die sich damit beschäftigen (müssen) und sich schon beschäftigt haben, miteinander ins Gespräch zu bringen, damit nicht nur meinen eigenen Worten geglaubt werden muss.
Die zwei Flinta*Personen schauen mit auf meine Kommunikation. Das entlastet und supportet mich, sichert gleichzeitig auch ab, dass ich mein Versprechen dann halte.
Statement oder nicht
Ich hatte mich bisher dagegen entschieden, ein Statement zu veröffentlichen, weil ich mich einerseits nicht an der weiteren Streuung der Gerüchte beteiligen wollte. Außerdem fand ich das politisch heikel, denn ich befürchtete, dass meine Perspektive von Leuten benutzt werden kann, die sich generell gegen Definitionsmacht aussprechen und denen mein Bekanntheitsgrad als Musiker dafür nutzbar scheint - und da ich mich trotz allem hinter diese Konzepte stellen möchte, wollte ich das nicht provozieren. Außerdem hatte ich die Vorstellung, dass es einer betroffenen Person, die sich mir gegenüber bisher nicht geäußert haben könnte, noch schwerer fallen könnte, sich zu äußern, wenn die Sache bereits in der Öffentlichkeit ist.
Jetzt sind allerdings bereits hier und da Maßnahmen ergriffen worden, Leute tauschen sich auf Plena darüber aus und ich muss davon ausgehen, dass das weiterhin geschieht, auch ohne dass es eine für mich erkennbare Betroffenen-Perspektive gibt.
Das stellt mich vor das Problem, dass zwar viel geredet wird, sich für mein Leben inzwischen deutlich spürbare Konsequenzen einstellen - ich aber dennoch keine Gesprächspartner:innen habe. Es existiert kein Forum, keine Gruppe, kein Text und keine Forderungen.
Frage: Wem erzähle ich was, warum weiter?
Bei allem, was mir bisher dazu zu Ohren gekommen ist, ist eines gleich:
Es fehlt die Betroffenen-Perspektive.
Oft nicht nur in dem Erzählten selbst, sondern auch in dem Fokus, den das hat.
Etwas wie: „Ich habe über Ecken gehört, dass Konny ein Täter ist und deswegen erzähle ich dir das.“ Oft ist es in den Situationen mit dem Erzählen auch schon gegessen.
Ob da irgendwo eine betroffene Person ist, ob sie vielleicht ganz andere Wünsche hat, wie damit umzugehen wäre, scheint - wenn überhaupt - eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
Wichtiger scheint mein Name zu sein, dass er einen Bekanntheitsgrad hat und es überhaupt etwas zu erzählen gibt. Das hat mich eine Weile etwas wütend gemacht. Die Leute erzählen sich halt Gerüchte weiter...
Aber ich hab schon auch verstanden: Es gibt den Punkt, dass es eigentlich keine andere Möglichkeit gibt für Flinta*, sich gegenseitig vor Tätern zu warnen, als genau dadurch, sich Dinge weiterzuerzählen. Es gibt (noch?) keine OutCall Plattform, wo ich jetzt mal schnell suchen könnte ob es schon etwas Veröffentlichtes über XY gibt. Wenn ich also jetzt verlangen würde, dass Leute nichts weitererzählen, bevor sie es selbst überprüft haben, wäre das unrealistisch. Ein Informationsfluss über Täter wäre faktisch unterbunden. Weitererzählen macht also Sinn und ist wichtig.
Also bleibt mir nur, diese Frage zu individualisieren und Leute direkt zu fragen: Aus welcher Motivation heraus erzählst du was weiter? Mal ganz ehrlich… Ich muss sagen: Ich selber habe mich, na klar, unzählige Male sehr leidenschaftlich an ziemlich bescheuertem Gossip über Leute beteiligt.
Was soll dieser Text?
Es existieren (Stand jetzt) keine Vorwürfe und ich weiß von keiner betroffenen Person. Ich möchte nicht wie ein Täter behandelt werden - denn dafür gibt es (bisher) keinen Grund.
Wenn ihr Gedanken, Ideen, Anregungen habt, die ihr mir dazu mitteilen wollt, schreibt mir gerne an konny_kleinkunztpunk(at)turgutz.de
Aber:
Hallo, sollte ich mich dir gegenüber verletzend verhalten haben, tut mir das leid. Du (oder deine Gruppe) kannst entweder direkt mit mir ( konny_kleinkunztpunk(at)turgutz.de ) in Kontakt treten. Wenn du das nicht möchtest, verstehe ich das. In dem Fall hast du auch die Möglichkeit, mit zwei Flinta*Personen zu schreiben, die sich bereit erklärt haben, ein Kommunikationspuffer zu sein, dir zu glauben und sich mir gegenüber für dich einzusetzen. Hier ist eine E-Mail-Adresse, auf die ich keinen Zugriff habe: transparenx(at)riseup.net
Mir ist natürlich klar, dass das Kommunikationsangebote sind, die unter Umständen nicht aufgegriffen werden können, weil das sehr nah an mir dran ist und dafür ein Grundvertrauen in mich vorhanden sein müsste. Deshalb: Hast du eine andere Vorstellung von einer Kommunikationsform bin ich dafür, na klar, offen.
So weit erst mal,
lieb jegrüßt, Konny